Füllungen - was darf es sein?

 

Seit jeher werden kariöse Defekte mit Füllungen versorgt. In den letzten hundert Jahren hat sich allerdings das Spektrum der Restaurationsmaterialien gravierend verändert. Während Goldfüllungen seit bereits etwa 2000 Jahren bekannt sind und amalgamähnliche Materialien schon im siebten Jahrhundert in China zur Anwendung kamen, sind die zahnfarbenen Füllungen auf Kunststoffbasis erst seit den 40er Jahren in der Zahnmedizin im Einsatz. Seit dieser Zeit haben besonders letztere eine rasante Weiterentwicklung erfahren, so dass die Zahl der heute gebräuchlichen Füllmaterialien in allen ihren Variationen sehr groß ist. Es existiert kein Füllungsmaterial, welches nicht in irgendeiner Form Substanzen in die Mundhöhle abgibt, welche wiederum theoretisch ein Risiko bedeuten könnten. Von praktischer Bedeutung ist dieses Verhalten - bei korrektem Einsatz und Verarbeitung - allerdings nicht. Ein kurzer Abriss soll helfen, die grundlegenden Unterschiede zu verstehen.

Die klassische Goldfüllung, meist in Form des Inlays, ist wohl die Versorgung mit der längsten klinischen Erfahrung. Auch heute noch gehört sie zu dem besten, was die konservierende Zahnmedizin zu bieten hat, wenn sie auch durch heutige ästhetische Ansprüche vielfach durch zahnfarbene Restaurationen verdrängt wurde. Für die Goldfüllung muß dem betroffenen Zahn eine definierte Form durch Beschleifen gegeben werden. Auf einem Modell, hergestellt nach einem Abdruck des Gebisses, fertigt dann das zahntechnische Labor eine Goldfüllung an, die die fehlenden Teile des Zahnes ersetzt und ihm seine ursprüngliche, bzw. funktionell sinnvolle Form zurückgibt. Diese Füllung wird mittels eines speziellen Zementes im Zahn befestigt.

Eine Renaissance erfahren hat hingegen die sogenannte Goldhämmerfüllung. Hierbei wird fein gemahlenes fast reines Gold direkt in der Kavität des Zahnes mittels eines kleinen Hammers verdichtet, die Goldpartikel kalt miteinander verschweißt. Sie findet vor allem bei kleineren Defekten auf der Kaufläche sowie bei kleineren Zahnhalskavitäten Anwendung. Durch die Verarbeitung gibt es keinerlei Zement- oder verarbeitungsbedingten Spalt zwischen Füllung und Zahn, so dass ihre Haltbarkeit überdurchschnittlich ist. Ebenso ist besonders im Zahnhalsbereich die absolute Gewebeverträglichkeit des Goldes ein weiterer Pluspunkt für diese Füllungsart. Allerdings ist auch hier der negative ästhetische Effekt des Goldes zu beachten. Außerdem ist bedingt durch die Verarbeitung der Zeitaufwand für diese Füllung sehr hoch, was sie im Vergleich zu herkömmlichen Füllungen sehr viel teurer macht.

Bei der in den letzten Jahren immer mehr in Verruf geratenen Amalgamfüllung handelt es sich materialtechnisch gesehen um eine Bronze mit den Hauptbestandteilen Silber, Kupfer und Quecksilber. Bei den modernen sogenannten Non-Gamma-zwei-Amalgamen durchlaufen die Inhaltsstoffe mehrere Zwischenstufen und werden schließlich in einer chemischen Verbindung fest, die ihrerseits keinerlei freies Quecksilber enthält. Allerdings enthält jede frisch gelegte Amalgamfüllung darüber hinaus auch immer Reste der Zwischenstufen, so dass gerade am Anfang Quecksilber in die Mundhöhle abgeben wird. Wenn diese Mengen auch denkbar gering sind, so haben doch die in den letzten Jahren zu Recht oder Unrecht durch die Medien gegangenen Berichte über Quecksilbervergiftungen bis hin zu schwersten Allgemeinerkrankungen aufgrund von Amalgamfüllungen zu einer deutlichen Abkehr von dieser Füllungsform geführt. Da mittlerweile die Qualität und Materialeigenschaften der zahnfarbenen Materialien nahe am Amalgam liegen, bieten sie wegen der besseren Ästhetik inzwischen auch bei größeren Füllungen eine echte Alternative zum Amalgam, wenn sie auch dessen Haltbarkeit und karieshemmende Wirkung nicht erreichen.

Die umfangreichste Auswahl unter den zahnmedizinischen Füllungsmaterialien bieten zweifelsohne die zahnfarbenen Restaurationen. Wenn auch einige durch immer weiter verbesserte auf dem Markt erscheinende Materialien heute kaum noch benutzt werden, sollen sie der Vollständigkeit halber doch erwähnt werden.

Mittlerweile ein gutes Äquivalent zur klassischen Goldfüllung stellt die Keramikfüllung dar. Zwar ist der Herstellungsprozess im Labor ein anderer, die Vorgehensweise für den Patienten in der Praxis aber ähnlich wie beim Goldinlay. Durch Verbesserung der Komposite, die statt des herkömmlichen Zements beim Befestigen des Keramikinlays im Zahn benutzt werden, sowie durch verbesserte Keramik und neue Verfahren im zahntechnischen Labor ist die Qualität heute fast der eines Goldinlays gleichzusetzen. Einschränkend muß gesagt werden, dass bedingt durch die Kompositzementierung bei tief unter das Zahnfleisch zerstörten Zähnen Keramikfüllungen nicht zu empfehlen sind, da kein absolut sicherer Randschluß in diesem Bereich gewährleistet werden kann. Ideal und ästhetisch überzeugend sind sie hingegen als Alternative zu Amalgam- und Kompositfüllungen, deren Ränder im sichtbaren Bereich verlaufen.

Heute fast nicht mehr für definitive Füllungen angewendet werden die Silikate und Glasionomere, weil sie einerseits im kaubelasteten Bereich nicht die ausreichende Stabilität und Fraktursicherheit bieten und andererseits durch ihre nicht auspolierbare Oberflächenstruktur die Plaqueanlagerung begünstigen. Früher häufig im Frontzahnbereich verwendet, finden sie heutzutage noch Verwendung im Milchgebiß, als Langzeitprovisorium oder Aufbaufüllung unter Kronen sowie vereinzelt als Zahnhalsfüllung.

Die wohl größte Gruppe stellen die Komposite dar. Dabei handelt es sich um eine Matrix aus hochwertigem Kunststoff, die je nach Produkt und Verwendungszweck mit größeren oder kleineren Füllkörpern aus Quarz oder Keramik durchsetzt ist. Je kleiner die Füllkörper, desto feiner die Oberfläche. Je größer die Füllkörper, desto höher die Stabilität. Die modernen Komposite versuchen durch geschickte Kombination möglichst viele Vorteile auf einmal zu vereinen. Dadurch ist es gelungen, die bei der Aushärtung des Komposites, der Polymeristion durch UV-Licht, entstehende Schrumpfung des Kunststoffs zu minimieren. Die in den Anfangsjahren bei Kompositfüllungen oft beobachtete Füllungsrandkaries nach kurzer Zeit konnte so weitgehend eliminiert werden. Bei fachgerechter Verarbeitung durch den Zahnarzt kann die Schrumpfung heute fast vernachlässigt werden. Die beste Verbindung gehen Komposite trotz verbesserter Haftvermittler noch immer mit dem Zahnschmelz ein. Deshalb sind wie bei der Zementierung von Keramikinlays große, in den Bereich unterhalb des Zahnfleisches reichende Füllungen, in denen es keinen Zahnschmelz mehr gibt, mit dem Risiko der Randspalten verbunden.

Beim Polyglas sind die Quarz- und Keramikfüllstoffe der Komposite durch Füllkörper aus Glas ersetzt, was sie im Grunde zu einer modifizierten Form der Feinstpartikelhybridkomposite macht. Sie sind einfacher zu verarbeiten, haben aber gleiche Materialeigenschaften wie die Komposite.

Besonders für den Bereich der Zahnhalsfüllungen durchgesetzt haben sich die sogenannten Kompomere. Sie stellen durch Glasionomere modifizierte Komposite dar und verbinden die gute Haftwirkung der Glasionomere auf dem Dentin mit der guten Polierbarkeit und Ästhetik der Komposite. Da sie durch den Glasionomeranteil auch Fluoride freisetzen, wirken sie im empfindlichen Bereich des Zahnhalses gleichzeitig kariesprotektiv.

Die Entwicklung der letzten Jahre hat uns die Ormocere beschert. Sie bestehen aus "organisch modifizierter Keramik", wovon sich auch der Name ableitet (ORganical MOdified CERamics). Im Gegensatz zu den Kompositen basieren sie auf einem Silizium-Sauerstoff-Netzwerk, was Ihnen neben der erhöhten Kaufestigkeit auch eine bessere Gewebeverträglichkeit beschert.

Allen zahnfarbenen Restaurationsmaterialien auf Kunstoffbasis ist eine Schrumpfung von 1-4% bei der Polymerisation zu eigen, die bis heute trotz intensivster Forschung nicht eliminiert werden konnte. Viel wichtiger für die Qualität und Haltbarkeit einer Füllung ist aber deren Verarbeitung und die anschließende Mundhygiene des Patienten, denn wie bei allen Dingen im Leben ist ohne eine richtige Pflege kein dauerhafter Bestand gewährleistet.

 


Michael Linneweber