Keramik total

 

Keramik hat in der Zahnmedizin zum möglichst natürlichen Ersatz fehlender oder zerstörter Zähne bereits seit einigen Jahrzehnten ihren festen Platz. Abgeleitet von der Emailletechnik bedurfte es aber immer eines Metallgerüstes, auf das die Keramik aufgebrannt wurde. Ohne dieses würde die vom Zahntechniker in Schichten mit dem Pinsel auf das Metallgerüst aufgebrachte und in mehreren Schritten bei hohen Temperaturen gebrannte Keramik im Ofen wie Butter zerlaufen Diese im Laufe der Jahre durch immer bessere Abstimmung von Metall und Keramik vervollkommnete Technik ist auch heute noch das gebräuchlichste Verfahren für Kronen und vor allem Brücken.

Da Keramik an sich ein ausgesprochen sprödes Material ist, das zwar sehr hart ist und damit stark druckbelastet werden kann, reagiert es auf Biege- und Scherkräfte äußerst sensibel. Die Metallunterkonstruktion gewährleistet Formstabilität vor allem bei größeren Brücken, um ein Springen oder Platzen der Keramik zu verhindern.

Heutzutage gibt es die Möglichkeit, die metallene Unterkonstruktion durch eine spezielles Gerüst aus Aluminiumoxid mit einer verdichteten Kristallstruktur zu ersetzen. Die hohe Stabilität wird erreicht, indem man die „Poren“ in der Kristallstruktur soweit füllt, dass sie beim erneuten Brennen im Ofen nicht weiter zusammensinken kann. Das geschieht entweder durch „tränken“ mit extrem hartem Glas in einem zweiten Brennvorgang, oder das Gerüst wird direkt aus extrem verdichtetem Aluminiumoxid um soviel größer gestaltet, wie es beim Brennen schrumpft. Letzteres Verfahren ist nur mit Hilfe des Computers möglich und liefert die stabilsten und ästhetisch ansprechendsten Ergebnisse. Auf einem solchen Gerüst kann der Zahntechniker wie auf Metall mit seinen Keramikmassen Form- und Farbgestaltung für die endgültige Krone oder Brücke ganz individuell vornehmen.

Das Prinzip der verdichteten Keramik machen sich auch die computergestützten Systeme zunutze, die anhand eines fotografischen „Abdruckes“ des Zahnes in der gleichen Sitzung direkt am Zahnarztstuhl Kronen und Verblendschalen fräsen. Für die Herstellung werden industriell gefertigte Keramiblöckchen verwendet. Somit ist die fertige Krone/Verblendschale absolut frei von Spannungen oder Fehlern in der Kristallstruktur und sehr haltbar. Ästhetisch reichen diese aus einem einfarbigen Keramikblock gefrästen Kronen allerdings nicht an die vom Techniker geschichteten heran, da die Form von Computer idealisiert errechnet wird und die Oberfläche mit Malfarben dem Restgebiß angepasst werden muß.

Einer der wichtigsten Vorteile der vollkeramischen Restaurationen ist ihre Transluzenz. Die natürliche Reflektion des Lichtes im natürlichen Zahnes in einer Keramikschicht von nur einem guten Millimeter zu imitieren ist die Fertigkeit des Zahntechnikers. Durch kunstgerechtes Schichten unterschiedlicher Farben kann die Illusion eines zwar homogenen aber dennoch transluzenten Zahnes sowohl bei Metallkeramik- wie auch Vollkeramikkronen geschaffen werden. Im Durchlicht erscheinen auf einem Metallgerüst basierende Kronen aber immer grau und tot, während hier aus Totalkeramik bestehende Restaurationen sehr nahe an den natürlichen Zahn heranreichen. Das setzt allerdings auch eine Zementierung der Kronen mit einem entsprechend transluzenten Zement in der Regel auf Kompositbasis voraus, womit die Anwendung bei stark zerstörten Zähnen mit weit unter das Zahnfleisch reichenden Kronenrändern eingeschränkt ist. Außerdem sollten Wurzelstifte und Aufbaufüllungen unter Vollkeramikrestaurationen ebenfalls aus Keramik oder Komposit sein, um den entscheidenden ästhetische Vorteil der Transluzenz nicht zunichte zu machen.

 


Michael Linneweber