Wurzelkanalbehandlung - was ist das?



Eine Wurzelkanalbehandlung sollte ein eher seltenes Ereignis im Rahmen der zahnärztlichen Behandlung sein. Leider ist sie es nicht - und trotzdem wissen nur die wenigsten, worum es sich dabei eigentlich handelt. Ein gesunder Zahn besteht aus der Zahnkrone und einer oder mehreren Wurzeln. Während die Zahnkrone, der sichtbare obere Teil des Zahnes, aus Dentin und dem es umgebenden harten Zahnschmelz besteht, ist das Material der Wurzel sehr weich. Deshalb sind freiliegende Zahnhälse so empfindlich, weil sie das weichere Wurzelgewebe allen mechanischen und chemischen Einfl\'fcssen der Umwelt preisgeben. Im Innern des Zahnes liegt der "Nerv" oder besser die Pulpa. Diese besteht aus Bindegewebe, Blut- und Lymphgefässen und Nervenfasern. Normalerweise ist die Pulpa im Inneren des Zahnes hermetisch von der Aussenwelt abgeschlossen. Die einzige Öffnung des Hohlraumes besteht an den Wurzelspitzen mittels einer winzigen Öffnung, durch die die Gefässe und Nervenfasern austreten.

erkrankte Zahnwurzel Wird nun der Zahn zerstört durch Karies, Unfall, etc., kann sich der "Nerv " entzünden und stirbt in den meisten Fällen ab. Anders als andere Gewebe unseres Körpers kann sich der Zahnnerv in der Regel nämlich nicht mehr erholen und wieder gesund werden. Bei Kin dern und Jugendlichen besteht eine geringe Chance, die bei Erwachsenen kaum noch vorhanden ist. Durch die Öffnung der Nervkammer zur Aussenwelt können Bakterien in die Pulpenkammer und weiter über die Wurzelkanäle bis zum Knochen vordringen und rufen an den Wurzelspitzen Entzündungen des Knochens hervor. Im schlimmsten Fall reagiert der Körper darauf mit der Bildung eines sehr schmerzhaften Eiterherdes. Solch eine massive Infektion kann auf jeden Fall den gesamten Körper in Mitleidenschaft ziehen. Manchmal stirbt der Nerv aber auch aufgrund eines Traumas ohne äussere Verletzung des Zahnes teilweise sogar vollkommen unbemerkt, d. h. schmerzlos ab. In solchen Fällen wird der wurzeltote Zahn oft erst durch Zufall anhand eines Röntgenbildes entdeckt. Denn auch d ie abgestorbene Pulpa und das tote Gewebe im Wuzelkanal können eine Entzündungsreaktion an der Wurzelspitze hervorrufen, die allerdings in der Regel schmerzlos abläuft.

Eröffnen des WurzelkanalsSowohl solche Infektionen als auch die reinen Entzündungen können mit Hilfe einer "Wurzelbehandlung" oder besser Wurzelkanalbehandlung behandelt werden. Dabei erfordert eine erfolgreiche Behandlung viele Einzelschritte und meistens mehrere Sitzungen: zuerst müssen die Eingänge zu den feinen Kanälen in den Wurzeln des Zahnes gefunden werden. Je nach Zahn sind das bis zu vier Kanäle mit einem Durchmesser von oft weniger als 0,15 Millimetern. Häufig scheitern Wurzelkanalbehandlungen daran, dass nicht alle Kanäle gefunden werden können oder aber für die feinen Instrumente nicht bis zur Wurzelspitze zugänglich sind. Sind alle Eingänge zu den Kanälen gefunden worden, wird der Innenraum der Kanäle sukzessive mit immer grösser werdenden Feilen und flexiblen Bohren langsam gereinigt und vergrössert, bis der Duchmesser eine Reinigung mit Spüllösungen zulässt. Bakterien und Giftstoffe sowie evtl. alte Wurzelkanalfüllungen werden entfernt. Dabei wird auch gleichzeig die Innenwand der Kanäle abgetragen, in der sich Bakterien eingenistet haben können. Mittels der Spüllösung und einer evtl. anschliessenden medikamentösen Einlage werde auch die letzten Bakterien abgetötet und evtl. Reste des toten "Nerven" herausgespült, so dass der Innenraum des Zahnes bis zu den Wurzelspitzen nun wirklich sauber ist. Je nach Schwere der Infektion an der Wurzelspitze können darum mehrer Termine notwendig sein, bei denen immer wieder gereinigt, gespült und desinfiziert wird, bis die körpereigene Abwehr den Entzündungsherd an der Wuzelspitze vollkommen beseitigt hat. Erst jetzt kann der Hohlraum in den Wurzelkanälen vollständig verschlossen werden. Anschliessend sollte ein wurzelkanalbehandelter Zahn immer mindestens mit einer Teilkrone versorgt werden, weil tote Zahne wesentlich spröder als lebende und damit auch viel frakturgefährdeter sind.

Wurzelkanalinstrument Tut eine Wurzelbehandlung weh? Nein ! Sicherlich gibt es angenehmeres als eine solche Behandlung, aber weder während der Behandlung noch danach sollten wirklich Schmerzen auftreten. Allerdings darf man nicht vergessen, dass durch eine erfolgreiche Wurzelkanalbehandlung der Selbstheilungsprozess des Körpers teilweise erst eingeleitet wird, weil die Abwehrzellen des Körpers nicht in der Lage sind, in den Wurzelkanal einzudringen. Ist dieser allerdings vom Zahnarzt gereinigt und mit einer medikamentösen Füllung versehen, kann der Körper die Entzündung an der Wurzelspitze bekämpfen. Deshalb sind unangeneme Empfindungen im Bereich der Wurzelspitze im Verlauf der Behandlung und danach nicht ausgeschlossen, ähnlich wie ein Schnitt in den Finger, wenn dieser langsam abheilt und sich dabei immer mal wieder "meldet". Aufbereitung des Wurzelkanals Die moderne zahnärtzliche Technik und immer feinere und flexiblere Instrumente haben die Erfolgsaussichten der Wurzelkanalbehandlung sehr ansteigen lassen. Waren vor wenigen Jahren noch weniger als 35% der Behandlungen erfolgreich, können heute bis zu 85% erreicht werden. Trotz allem ist auch die beste Wurzelkanalbehandlung immer nur ein Versuch, den betreffenden Zahn zu erhalten, für den es keine "Erfolgsgarantie" gibt. Die in der Regel immer gekrümmten Wurzeln, die starken Verzweigungen innerhalb der Kanäle und das Arbeiten in einem nicht sichtbaren Bereich des Zahnes machen leider oft eine vollständige Reinigung bis zur Wurzelspitze unmöglich. Hinzu kommt, dass jeder Zahn vollkommen individuell gebaut ist und jeder Körper unteschiedlich in der Lage ist, Entzündungen zu bekämpfen. Trotzdem lohnt sich der Aufwand einer erfolgreichen Wurzelkanalbehandlung immer, besonders wenn es sich um prothetisch wichtige Zähne handelt, wie z.B. Brückenpfeiler oder Haltezähne, an denen eine Prothese befestigt ist. Oft entscheidet ein Zahn mehr oder weniger, obüberhaupt noch ein festsitzender Zahnersatz möglich ist oder bereits ein herausnehmbarer notwendig ist. Aus diesem Grund kann eine sehr aufwendige und damit anfänglich kostenintensive Wurzelkanalbehandlung unter Einsatz moderner Methoden und Instrumente durchaus die langfristig kostengünstigere Behandlung sein!

 


Michael Linneweber